Bei HEMEX erhalten Startups ein Podium, um ihre fortgeschrittenen Health Care-Innovationen potenziellen Investoren ausführlich und in kleiner Runde vorzustellen. Vom Implantate-System zur Behandlung chronischer Lymphödem-Schwellungen über die Methode zur Selbstmessung von Schlafstörungen und Therapie für Patienten mit multiresistenten Krebserkrankungen bis zur Technologie für die Ursachenbekämpfung von Paradontitis – vier erfolgversprechende Jungunternehmen nahmen letztes Jahr am ersten physischen Pitch-Event seit Ausbruch der Pandemie in Liestal teil und stellten sich kritischen Fragen.
Rund 5 Millionen Menschen in der EU und in den USA leiden unter chronischen Lymphdrüsen-Schwellungen. Da die Krankheit nicht heilbar ist, bedeutet das meist lebenslanges Tragen von Kompressionen. Dies ist vor allem im Sommer eine Tortur und ein tiefer Einschnitt im Alltag bzw. Lifestyle der Betroffenen. Hoch sind auch die Kosten für die verordneten Behandlungen und Massagen. Hier setzt die 2017 gegründete Lymphatica mit ihrem Implantate-System an. Ein im Körper eingepflanzter Bypass, Katheder und dazu eine Pumpe sollen das Wasser kontrolliert abführen. Am Innovations-Pitch bei HEMEX in Liestal stellten die beiden Firmengründer, Marco Pisano und Valentina Triacca, ihre Weltneuheit vor (Foto links): «Unser Ziel ist, damit zeitraubende und teure Lymph-Drainagen zu ersetzen, die Patienten kompressionsfrei zu bekommen und so deren Lebensqualität erheblich zu verbessern.» Erste Testergebnisse sind erfolgsversprechend und haben zu positiven Reaktionen geführt.
Kapital für Pilotstudie
Das Lausanner Medtech-Unternehmen benötigt Kapital für die Durchführung einer Pilotstudie. «Reicht die Zahl der daran teilnehmenden Patienten», fragt ein Investor. «Wie genau funktioniert das Gerät, und aus welchem Material besteht es? Wie sieht das Vertriebskonzept aus, und wie wollt ihr mit dem Produkt Geld verdienen», erkundigen sich weitere Teilnehmer. Die beiden Jungunternehmer geben bereitwillig und ausführlich Auskunft.
Alle Anwärter befinden sich mit ihren Produkten in der klinischen Phase und damit in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Sie haben die erste Finanzierung(srund)en bereits hinter sich und bewarben sich am Pitch-Event vor Vertretern von HEMEX, der Zürcher Kantonalbank und einer dritten Investorin um weiteres Kapital.
Kompetenzzentrum zur Diagnose der Schlafkrankheit
So hat Sleepiz bereits 6,2 Millionen Franken im Rahmen einer Serie A-Finanzierung für die Lancierung ihres Produkts in ausländischen Märkten, u.a. Deutschland, generiert und plant eine Serie-B-Runde. Das 2018 an der ETH Zürich gestartete Spinoff hat ein Monitoring-Gerät entwickelt, mit dem Patienten von daheim aus ihren Schlaf überwachen können. «Eine Milliarde Menschen sind weltweit von Schlafapnoe betroffen, doch nur bei 20 Prozent ist die Krankheit aufgedeckt», erklärte Max Sieghold, Mitgründer von Sleepiz, am Event. Allein für die Diagnose würden bisher aufwändige und teure, jedoch meist unzuverlässige Tools eingesetzt. Hier will Sleepiz eine Lücke füllen: Ihr Produkt untersucht die Körperfunktionen, erfasst die Herz- und Atmungs-Frequenz und kann sogar Lungenprobleme aufdecken. Und anhand der Online-Screenings ist es überdies seit einem Jahr möglich, Schlafstörungen zuhause kontaktlos zu messen und managen. Das Jungunternehmen hat noch letztes Jahr in Liestal ein medizinisches Kompetenzzentrum eröffnen und geht von einem Marktpotenzial von 18'000 Patienten allein in der Schweiz aus.
«Sind für so viele Untersuchungen genügend Geräte da? Gibt es Patente zum Produkt? Der Markt ist hart umkämpft: In wieweit unterscheidet sich Eure Einrichtung von anderen verbreiteten Trackern? Und wofür wird weiteres Geld gebraucht», lauteten die Investoren-Fragen am Pitch-Event.
Investoren vom Nutzen überzeugen
Doch nach welchen Kriterien werden die Kandidaten von den Investoren beurteilt? «Zum einen geht es um die Innovation. Inwieweit bringt sie der Gesellschaft bzw. den Patienten einen echten Nutzen», erklärt einer der anwesenden Investoren aus dem Investment-Committee von HEMEX. Ebenfalls zentral sind das Team und der Präsentierende: «Überzeugt der Auftritt, glauben wir die Story; kann die Person das Produkt ins richtige Licht rücken?» Und ganz wichtig: Präsentationen müssen gut verständlich sein. Nicht alle Investoren haben einen wissenschaftlichen Background.
F&E-Produkt mit Blockbuster-Potenzial
Entsprechend knifflig wird die Beurteilung des komplexen Verfahrens von Cellestia Biotech. Das 2014 gegründete Spinoff der EPFL mit Sitz in Basel entwickelt First-in-Class-Therapien (zur Kontrolle und Modulation der pathogenen Genexpression) in mehreren Krankheitsbereichen durch selektive Hemmung entsprechender Transkriptionsfaktoren im Zellkern. Mit dieser Methode werden u.a. für den Krebsausbruch verantwortliche Proteine entlarvt und blockiert. Der Leitwirkstoff behandelt erfolgreich Krebspatienten mit Multiresistenzen gegen Medikamente und befindet sich in Phase 2 klinischer Studien. Zur Veranschaulichung brachte Raj Lehal, CEO bei Cellestia, Beispiele von Betroffenen mit fortschreitender Metastasenbildung, deren Lebensdauer und -qualität schliesslich dank Stabilisierung des Tumors erhöht werden konnte. Hinter dieser Innovation steckt ein breitabgestütztes Patent-Portfolio mit Anwendungen in der Onkologie, bei Autoimmun- und Entzündungskrankheiten. Für das F&E-Produkt mit Blockbuster-Potenzial werden «starke Aktionäre» gesucht und Partnerschaften mit Pharmaunternehmen angestrebt mit dem Ziel, ein Medikament zu lancieren.
Volkskrankheit «auf den Zahn fühlen»
Der Ursache von Parodontitis will PerioTrap Pharmaceuticals GmbH auf den Zahn fühlen und mit einem Medikament und Therapieansatz zu Leibe rücken. Dazu hat das deutsche Startup einen neuartigen Wirkstoff gegen ein Zielenzym entwickelt, das ausschließlich bei den Haupterregern dieser Zahnfleischerkrankung vorkommt. Durch den gezielten Einsatz an der Infektionsstelle können herkömmliche Antibiotika eingespart und die Auswirkungen auf die natürliche Mundflora minimiert werden. Chronische Krankheitszustände werden so überwunden und Nebenwirkungen verringert. Parodontitis ist weit verbreitet. Schätzungsweise jeder zweite Erwachsene leidet darunter, womit sich weltweit ein Milliarden-Markt in der Dentalversorgung eröffnet. 2026 wolle man das Produkt nach Beendigung der klinischen Studien lancieren und bis 2028 an einen Partner verkaufen, verriet Pierre Tangermann, CEO PerioTrap, die (Exit-)Strategie. Dazu strebt das Management nach erfolgter Series A- eine Series B-Finanzierung an. Entscheidend für den Marktdurchbruch seien auch der Preis und die Rückvergütung für die Behandlung durch die Krankenkassen.
Bessere Chancen für einen Match
«Kann das Produkt, sofern die erforderlichen Ressourcen vorhanden sind, in einem plausiblen Zeitrahmen umgesetzt werden? Trauen wir den Gründern und ihren Teams zu, die Milestones und auch die für den Markt notwendigen Bewilligungen und Zertifikate gemäss dargelegter Strategie erreichen zu können.» Dies sind für Pascal Winnen Gründer & CEO von Hemex weitere entscheidende Kriterien für Investoren.
Dazu gibt HEMEX den Teilnehmenden jeweils 45 Minuten Zeit und damit den nötigen Raum für einen überzeugenden Auftritt. «Wir schätzen die Events hier, weil wir im Detail über die Entwicklungen unseres Unternehmens sprechen können. So erhalten beide Seiten eine deutlich bessere Gelegenheit als bei den üblichen Kurzpräsentationen, um abzuschätzen ob es inhaltlich und persönlich passt», kommentiert PerioTrap Pharmaceuticals GmbH in ihrem anschliessenden LinkedIn-Post.
Und wie geht es nach dem Pitch-Event weiter? «Die Präsentation vermittelt einen ersten Eindruck. Dieser muss dann mit weiteren Gesprächen und im besten Fall mit einer Due Dilligence vertieft werden, bevor wir uns für den einen oder anderen Kandidaten entscheiden», erklärt Pascal Winnen (Foto links). Die sorgfältige Überprüfung einer Firma kann lang dauern. Die Erstellung der rund 20 Seiten langen Dokumente dazu bedingt minutiöse Abklärungen. Die Experten im HEMEX-Investment-Committee decken verschiedene Gebiete ab. Für Evaluationen werden nur zu ganz spezifischen Themen externe Fachleute beigezogen. «Bei unseren Abklärungen versuchen wir, möglichst alle Fragen zu beantworten. Geld zu bekommen, bedeutet für alle Seiten jede Menge Arbeit», so Franziska Stemmer, COO bei HEMEX.
Beratung in regulatorischen Fragen
Das Unternehmen bringt Startups mit Investoren zusammen und unterstützt diese auf ihrem Weg zum Markteintritt. Dabei bietet HEMEX u.a. im regulatorischen Bereich Hand und hat zwei der pitchenden Unternehmen beraten. «Mit unserem Involvement auch in den klinischen Studien können wir den Erfolg bis zu einem gewissen Punkt mitsteuern», ergänzt Franziska Stemmler (Foto ganz rechts). Hemex investiert seit 2018 selbst. Das diversifizierte Portfolio besteht aus einem Duzend Firmen, vorwiegend aus der Medtech-, Biotech- und Pharma-Branche: «Wir begleiten unsere Kunden langfristig. Bisher ist jedes von uns betreute Startup weiter gekommen.»
Kathrin Cuomo-Sachsse. Kommunikation startup-baselland