news vom 15.04.24

Gründen, finanzieren und wachsen im Baselbiet

Ein innovativer Unternehmergeist wehte am Event von Swisspeers und der BLKB am 9. April im neu eröffneten ALBA Haus in Allschwil. Rund 70 Teilnehmende erfuhren von Rolf-Dieter Reineke von der Fachhochschule Nordwestschweiz, wie Startups und KMU agil und effizient in den internationalen Märkten Fuss fassen. Clémence Hermann von Spirecut erzählte, wie das Jungunternehmen mit Sitz in Muttenz zum globalen Medtech-Player heranwächst. Auch die beiden dynamischen Software-Firmengründer, Mattia Rüfenacht von Acquify und Laurent Decrue von Holycode, schilderten ihre Erfahrungen als passionierte Entrepreneurs und stellten ihre Dienstleistungen für kleinere Unternehmen vor. Alwin Meyer von Swisspeers erläuterte das jüngste Produkt des Finanzspezialisten, ein elektronisches Aktienregister. Und Managing Host Jerome Hemmig von iCity nahm Interessierte mit auf Entdeckungstour durch die fertiggestellten Mieträume. Im Parterre betreut die BLKB ihre Gewerbekunden und unterstützt Startups im Rahmen von «100 fürs Baselbiet».

 

 

Der Jahresanlass von Swisspeers, einer Anbieterin alternativer Finanzierungsformen, zusammen mit der BLKB, stand unter dem Motto «Erfolgreich gründen, finanzieren und wachsen im Baselbiet».

Spirecut ist letztes Jahr nach Muttenz in «The 5th Floor» gezogen und nun dabei, sich über die Kantonsgrenzen hinauszubewegen. Clémence Hermann schilderte die Reise des Startups zum globalen Medtech-Player. Gerade mit ihrem Nischenprodukt sei es für die Spezialistin für minmal-invasive Handchirurgie wichtig, möglichst omni-präsent und sichtbar zu sein. So nimmt das Team weltweit an Konferenzen wie in Helsinki, Brüssel und Boston teil. Der Erhalt der CE-Zertifizierung letztes Jahr habe den Weg zu den internationalen Märkten geebnet, erzählte die Leiterin Business Development. So plant Spirecut 2024 die Expansion in die USA, Kanada und Grossbritannien über einen Vertriebspartner. Wichtig sei, beim Ausbau Support vom Eco-System zu bekommen. So wurde das Jungunternehmen u.a. von der BLKB im Rahmen von «100fürsBaselbiet» finanziell und bei der Standortsuche gefördert.

Kredite zu günstigen Konditionen

Die Initiative wird von der BLKB zusammen mit der Standortförderung und Fachhochschule Nordwestschweiz getragen mit dem Ziel, insgesamt 100 innovative Startups aus der Region finanziell und beratend (mit Coaching und Vermittlung von Infrastruktur) zu unterstützen. Stefan Lehmann ist die Ansprechperson von 100 fürs Baselbiet im frisch bezogenen BLKB-Kompetenzzentrum im Albahaus. Vor hier betreut er mögliche Kandidaten, die einen Prozess durchlaufen – von der Bewerbung über den Check durch das Advisory Board («wie bei der Höhle der Löwen») bis hin zur Vergabe eines Kredits zu vergünstigten Konditionen. Dieser kann bei einer Laufzeit von maximal drei Jahren zwischen 100'000 und 500'000 CHF betragen. «2023 ist die Bank dazu übergegangen, sich als Mini-Eigentümerin selbst mit Kapital an Jungunternehmen zu beteiligen», so Stephan Lehmann am Event.

Übernahme statt Gründung?

Unterstützung gerade für Startups und KMU bei Firmenachfolgen bietet die in Sissach ansässige Acquify. Die digitale Plattform vereint die dazu notwendigen M&A-Tools. «Nicht jeder kann sich das leisten. Und die Übernahme eines Unternehmens erfordert ganz andere Skills als eine Neugründung», betonte Matthia Rüfenach, Mitgründer von Acquify. Er stammt aus einer Unternehmer-Familie und begleitet gerade auch seinen Vater mit dessen Firma effizient durch diesen Ablauf. Ziel ist, mit Acquify den Findungsprozess auf Abnehmer- und Abgeber-Seite ökonomisch aufzusetzen. Auch Treuhänder, Banken und Versicherungen nutzen die Plattform.

Der Technologie-affine ehemalige Banker hat bereits einige Innovationen, u.a. im Bereich Automatisierung und Dokumenteverarbeitung mittels Machine Learning, mit lanciert und daraus Startups gegründet - eines davon musster er wieder aufgegeben: «Die ersten Laufmeter aus dem Nichts zu schaffen, machte mir Spass.» Dabei auch mal zu scheitern, nimmt er mit Humor in Kauf. Acquify führt er zusammen mit seinem Geschäftspartner. Noch gebe viel es zu tun, um diesen Markt sexier zu machen…

Sanfter Einstieg im Ausland

Rolf-Dieter Reineke von der FHNW, Advisory Board-Mitglied bei 100 fürs Baselbiet, und selbst Unternehmer, schilderte am Event die Erfolgsfaktoren für eine Internationalisierung, die er besonders Schweizer Startups und KMU wegen ihres kleinen Binnenmarktes empfiehlt. Einzig die mangelnde Schnelligkeit von Schweizer Firmen – etwa im Vergleich zu asiatischen – bereite ihm Sorgen. Für ein agileres Vorgehen nannte er verschiedene Methoden, die einen sanften Einstieg im Ausland ermöglichen und gute Alternativen zu den eher kostspieligen und langwierigen herkömmlichen Eintritts-Strategien wie dem direkten und indirekten Export sind.

Mit einem «Pop-Up-Store» können beispielsweise (minimal machbare) Produkte an den Kunden vor Ort getestet und weiterentwickelt bzw. angepasst werden; mit dem Backpacker-Modell gehen Firmen „im Rucksack“ von etablierten Grossunternehmen ins Ausland, lernen dort die Marktgegebenheiten und lokale Partner kennen und entwickeln die eigene Präsenz – sozusagen «Learning by Earning», verriet er; und beim Umbrella-Konzept fungiert ein lokaler Service-Provider als virtuelle Tochtergesellschaft mit Fokus auf dem Vertrieb. Damit lassen sich die lokal vorhandenen Strukturen und Beziehungsnetze nutzen. Und wer gar kein Geld habe, könne ein Joint Venture eingehen, wo der lokale Partner einen Anteil von 51 Prozent sowie die Marktentwicklung übernimmt.

«Failen, bis es klappt»

Die Internationalisierung von Holycode hat gemäss Laurent Decrue in Belgrad begonnen. Das von ihm 2014 mitgegründete Unternehmen entwickelt «agile und (kosten)effiziente» IT-Lösungen. 2023 hat die Firma eine serbische Software-Agentur mit rund 350 Mitarbeitenden übernommen und agiert heute neben Binningen und Zürich an sechs Standorten in Europa. Die Umstellung auf andere Märkte und Kulturen würde vielen Schweizer Firmen schwerfallen. Hier bietet Holycode Startups die Möglichkeit, Entwicklungs-Ressourcen im Nearshoring für eine schnelle Skalierung zu beziehen.

Als mehrfacher Gründer kann Laurent Decrue bereits auf ein bewegtes Leben in der Startup- und Corporate-Welt (etwa als CEO von Bexio) blicken. Nach seinem Ausstieg bei einer Grossbank hatte er sich 2008 zum Unternehmer weiter(aus)gebildet und wurde von da an zum «Serientäter»: «Es ist meine Leidenschaft, intensiv zu arbeiten, Probleme zu lösen, viel zu lernen, immer wieder zu verändern und neu zu machen.» Oft bis zur Erschöpfung. Dann muss er sich wieder eichen. Seine Empfehlung: «Permanent dranbleiben und failen, failen, bis es klappt.»

Egal ob Gründung, Übernahme, Wachstum oder Expansion ins Ausland – all diese Unternehmensschritte wollen auch finanziert sein. Alwin Meyer, Co-Gründer von Swisspeers, wägte mit den Referenten die Vor- und Nachteile verschiedener Methoden wie Fundraising und Venture Capital gegeneinander ab.

Automatische Aktien-Bewirtschaftung
Wenn Investoren am Aktienkapital einer Firma beteiligt sind, wird deren Verwaltung aufwändig. (So bringt beispielsweise Crowdfunding viele Miteigentümer hervor). Für die automatisierte Bewirtschaftung bietet Swisspeers jetzt ein digitales Aktienbuch an. Die KI-basierte Plattform pflegt die Adressen, verschickt Einladungen zur GV und veranlasst demnächst die Auszahlung von Dividenden. Auch die Anteilshaber von MyCamper, einem Alumni von 100 fürs Baselbiet, sind «mit an Bord», und sollen bald die 1350 Aktionäre der Brauerei Monsteiner folgen.

Direkt Fremdkapital beschaffen

Swisspeers selbst ist eine Schweizer Crowdlending Plattform für KMU, die es einerseits Unternehmen erlaubt, bei Investoren direkt (peer to peer) – also ohne Zwischen­schaltung eines Finanzinstituts – Fremdkapital zu beschaffen, und andererseits Anlegern ermöglicht, Direktinvestitionen in kleine und mittlere Unter­nehmen zu tätigen. Seit seiner Gründung 2017 hat das Fintech-Startup, zu dessen Minderheitsaktionären auch die BLKB gehört, ein Kreditvolumen von über 160 Millionen Schweizer Franken akumuliert.

Flexibel gestaltbare Arbeitsplätze

Neben Beratung und Finanzierung stehen Firmengründern und (Jung-)Unternehmern im Kanton diverse Standorte mit attraktiven Raumangeboten zur Verfügung. So sollen im Baselink-Areal (u.a. mit dem Main Campus der Swiss Innovation Basel Area) in Allschwil bis 2040 rund 10’000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Im neuen ALBA Haus, gebaut von Herzog & de Meuron, entstehen auf acht Stockwerken und 15’000 m2 Fläche fixe und flexible Arbeitsflächen, Büros, Co-Working- und Community-Spaces.
Die Räume sind ökologisch bzw. nachhaltig, mit wiederverwerteten Büromöbeln ausgestattet, bedarfsgerecht gestaltbar und modular mietbar. Dazu können die Mieter Sitzungszimmer und Event-Räume digital buchen und auf eine umfassende Infrastruktur und Services (wie Cafeteria, Drucker etc.) zugreifen. In der öffentlich zugänglichen Zone im Parterre siedeln sich neben der BLKB, Gastronomie und weitere Dienstleister an. Soeben ist eine KiTa eingezogen.

Hohe Räume, gute Energie und Vernetzung

Managing Host Jerome Hemmig von iCity nahm Interessierte im Anschluss an den Event mit auf einen Rundgang durchs erste Geschoss. Die Besucher waren sichtlich beeindruckt vom modernen Einrichtungs- und Vermietungskonzept. Ein Contact-Center-Fachmann lobte die «gute Energie». Ihm gefallen besonders die hohen Räume und die Idee der vertikalen und horizontalen Vernetzung: «Hier können gerade auch kleinere Unternehmen agil, zu flexiblen Konditionen und einem erschwinglichen Preis arbeiten und sich austauschen.» Bericht: Kathrin Cuomo-Sachsse, Kommunikation startup baselland

 

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