Am ersten startup event baselland vom 6. Juni 2023 trafen sich rund 50 Jungunternehmer*innen, Gründungsinteressierte und Experten im Pantheon in Muttenz. Vom anwendungsfreundlichen Spekulum bis zum Führungsseminar in der Natur inspirierten sich die Teilnehmer*innen gegenseitig mit innovativen Ideen. Am Minihackathon bauten sie gemeinsam Geschäftsmodelle, packten an den Workshops Werkzeug in ihren Lernrucksack und tauschten sich rege untereinander aus. Michele Matt von MyCamper, Léa Miggiano von Carvolution und Simon Furer von Auterion gaben praktische Einblicke.
Steven ist Wirtschafts- und Konsumenten-Psychologe. Der Pflanzen-Enthusiast überlegt, etwas im grünen Bereich zu machen (Foto links). «Boney» hat Innovation & Entrepreneurship in Paris studiert. Dem dreifachen Vater schwebt für den Abschluss seiner Ausbildung u.a. der Aufbau eines digitalen Marktplatzes vor. Der 20-jährige Nicolai hat sich eine Rund-um-die-Uhr-Kameraüberwachung ausgedacht, die Kaufhäuser besser vor Ladendieben schützen soll.
Victoria ist schon einen wesentlichen Schritt weiter: Sie hat in Mailand einen Prototyp für ein anwenderfreundlich(er)es Spekulum zur Untersuchung der Scheide entwickelt und sucht Investoren für das optimierte Instrument (linkes Foto unten). Désirée möchte mit «perfekten Wimpern die Ästhetik und das Marktniveau in diesem Bereich verbessern». Die Immobilien-Verkaufsassistentin arbeitet als Teilzeit-Visagistin und steht mit ihrer frisch gegründeten Firma am Start (Foto unten rechts).
Von der vagen Idee bis zum fertigen Angebot
Am startup baselland event sprüht es im Pantheon nur so vor Innovation. Die Motive sind zwar ganz unterschiedlich, auch befinden sich die Teilnehmer*innen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Doch alle verfolgen mit Leidenschaft ihr Ziel und möchten sich für ihre Reise mit dem nötigen Werkzeug ausrüsten. Am Minihackathon arbeiten sie jeweils in Gruppen nach dem «Lean Startup-Ansatz» und «Business Model Canvas» gezielt und systematisch an einer Geschäftsidee:
Das Team von Steven und Boney tüftelt an einer Online-Plattform für den Vertrieb von «inperfektem» Gemüse, das von den Detaillisten ausrangiert wird. Sarina diskutiert in ihrer Gruppe ein neuartiges Outdoor-Training, das Führungskräfte in der Natur freisetzen soll (Foto Mitte). Ihr hat sich Anne angeschlossen, die bereits Pferde-gestütztes Coaching anbietet.
An der nächsten Pinwand macht sich Désirée Gedanken zum Werteangebot für künftige Wimpern- und Make-Up-Kunden. Alex daneben überlegt sich, ob das von ihm vertriebene gefilterte Wasser mit PH-Wert 6 zur Gesichtsreinigung dazu passen könnte (rechtes Foto oben). Derweil erhält Victoria weibliche Schützenhilfe durch Jessica Friess vom Business Parc, die mit ihr zusammen am Vermarktung-Konzept für ihr Spekulum feilt (linkes Foto oben).
Schrittweise und wachsam vorgehen
«Erste Impulse sind erfolgt, eure Geschäftsmodelle habt ihr in kurzer Zeit zu Papier gebracht.» Moritz Kistenmacher von der Startup Academy Baselland ist zufrieden (Foto Mitte). «Versetzt euch immer in die Perspektive und Probleme der Kunden und fokussiert auf deren Nutzen und Gewinn.
Nichts ist frustrierender, als am Marktbedarf vorbei zu investieren. Die gezeigten Tools helfen euch dabei, Schritt für Schritt wachsamer vorzugehen.» Maurus Basler von Basel Aera Business & Innovation empfiehlt, «ein Produkt zuerst im Kleinen zu entwickeln, bevor es ans Gründen geht» (Foto links). Dazu erklärt er die verschiedenen Rechtsformen – von der Einzelfirma über die GmbH bis zur AG.
«Neue Firmen stimulieren den Standort»
«Beim Schritt von der Idee zur Umsetzung muss man sich oft von den eigenen Wünschen lösen und Veränderungen in Kauf nehmen», weiss Thomas Kübler, der selbst eine eigene Firma geführt hat, und jetzt die Standortförderung Baselland leitet. Im Rahmen der Initiative startup baselland fördert der Kanton nachhaltige Unternehmensgründungen und unterstützt zusammen mit vier regionalen Organisationen vielversprechende Kandidaten u.a. mit kostenloser Erstberatung: «Neue Firmen stimulieren den Standort und unsere Wirtschaft. Diesbezüglich wollen wir mit unserem Event Mehrwert schaffen, Kontakte ermöglichen und gemeinsam voneinander lernen», betont Thomas Kübler (Foto rechts).
«Am startup event könnt ihr viele Informationen sammeln und eure Rucksäcke vollpacken. Hier erhaltet ihr das nötige Basiswissen und Checklisten», erklärt Marilen Schwald, die den Anlass moderiert und als Co-Gründerin von womenmatter/s und Geschäftsführerin von Innovation Basel sowie Donati Vini weiss, wovon sie spricht (Foto oben).
Geschäftsidee auf den Punkt bringen
In den Workshops werden startup-spezifische Themen vertieft. Bei Moritz Kistenmacher greifen die Teilnehmer (nochmals) in die Werkzeugkiste und werden u.a. über die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten aufgeklärt – vom klassischen Bankkredit und Bürgschaften über Crowdfunding, Business Angels bis hin zu Venture Capital.
Marcel Zumkemi vom Business Park Baselland taucht mit den Teilnehmenden in den Businessplan ein (Foto links). Dieser dient als Art Kompass bei der Firmengründung und weiteren -entwicklung und deckt von der Marktanalyse bis zur Finanzierung alle relevanten Bereiche ab. «Den Businessplan könnt ihr in einem bis anderthalb Monat(en) erstellen. Dazu müsst ihr eure Geschäftsidee auf den Punkt bringen», verdeutlicht er. Bei der sogenannten USP (Unique Selling Proposition) setzt Jessica Friess an: «Nicht nur ein innovatives Produkt, sondern auch ein effizienter Service oder Special Features können Alleinstellungs-merkmale sein. Doch am Ende muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmen», rät sie.
Beim abschliessenden Speed Networking tauschen sich die Teilnehmer*innen im Turnus aus mit den Gründungsberater*innen, Vertretern von der BLKB («100fürsBaselbiet»), BKB sowie von der Bürgschaftsgenossenschaft SAFFA und mit anderen Experten wie Mathias Welti vom «Haus der Wirtschaft» (Foto rechts). Nach einem intensiven Nachmittag setzen die Teilnehmer*innen ihre Gespräche am wohlverdienten Apéro fort.
Miteinander reden hat weitergeholfen
Der startup baselland event hat Boney Klarheit gebracht: Zwei seiner ursprünglich vier Geschäftsideen hat er verworfen und setzt jetzt ganz auf den digitalen Marktplatz. «Hier zu sein und vor allem mit anderen zu reden, war sehr aufbauend und hat mir echt weitergeholfen», erklärt er.
«Die vermittelten Methoden und Tools haben für Schwung und Struktur in den Vorgehensprozessen gesorgt», lautet ein weiteres Feedback. «Im Teamwork beim Hackathon bin ich in kurzer Zeit effektiv vorwärtsgekommen», versichert Sarina. Sie will mit ihrem prall gefüllten Rucksack noch eine Auslegeordnung machen. Eine andere Teilnehmerin hat einfach mal hineingeschnuppert und dabei den Austausch und die inspirierende Atmosphäre genossen. Sie überlegt sich den Einstieg in die Selbständigkeit.
«Unternehmertum ist kein Sprint, sondern ein Marathon»
Michele Matt von MyCamper, Léa Miggiano von Carvolution und Simon Furer von Auterion (Foto links) gewähren am «startup baselland event» tiefe Einblicke in die Praxis. Die drei Gründungs-Profis schildern ihre Erfahrungen, Erfolge, aber auch Niederlagen und «Lessons learnt». So verlief der Weg zur etablierten Firma nicht immer gradlinig, sondern war manchmal steinig. Hier ihre Stories in Kürze
Kathrin Cuomo-Sachsse, Kommunikation startup baselland