Für die Gründung brauche es Mut, eine gute Planung und hohe Identifikation, war am Exklusiv-Info-Anlass für Frauen vom 28. Januar u.a. zu erfahren. Claudine Gertiser-Herzog baute vor rund 30 Jahren ein Startup auf und setzt sich heute als CO-CEO leidenschaftlich für die Baselbieter Uhrenmarke Oris ein. Sie und weitere erfolgreiche UnternehmerInnen sowie ExpertInnen teilten ihre spannenden Erfahrungen und Learnings mit rund 70 Teilnehmerinnen; 10 waren online am Anlass der Reihe «Simply Business» dabei. Diesen führten der Business Park Baselland und die Basler Kantonalbank im Haus der Wirtschaft zum zweiten Mal durch. Viele Fragen aus dem Publikum und die anschliessenden Diskussionen drehten sich rund um den Businessplan.
Inspiriert und angespornt durch den Vater, der selbst Unternehmer war, machte sich Claudine Gertiser-Herzog zusammen mit einer Arbeitskollegin in den 90er Jahren selbständig, als die Firma, in der beide arbeiteten, aufgelöst wurde.
Mit ihrem Startup, Simcla, entwickelten sie aus ihrer ersten Idee ständig neue Promotions- und Werbeartikel. Ihr Vater half ihnen beim Businessplan und die Bank bei der Finanzierung. «Meine Geschäftspartnerin und ich waren damals gleichermassen mit Passion dabei und als Lokomotiven unterwegs», schmunzelt sie. Neben ihren Aufgaben als Mutter übernahm die Powerfrau nach und nach die Geschäftsführung bei Oris in Hölstein, Baselland. («Das Unternehmen schrieb sich bereits 1938 Gleichberechtigung auf die Fahne. Und es waren dort seit jeher viele Frauen im Einsatz», erzählte sie.)
Gleichzeitig regelte Claudine Gertiser die Nachfolge bei Simcla, die von Mitarbeitenden übernommen wurde und heute noch auf dem Dreispitzareal ihren Sitz hat: «Nach meinen ersten Gehversuchen auf der grünen Wiese, trat ich bei Oris – einem traditionellen Betrieb mit bestehenden Strukturen – in grosse Fussstapfen. Dort eröffnete sich mir eine tolle Markenwelt mit einem Super-Team.»
«Haltet an eurem Traum fest!»
Als sie 2014 eintrat, hatte das Unternehmen bereits einige Hochs und Tiefs hinter sich und gab nach 35 Jahren erstmals wieder eine Uhr mit eigenem Laufwerk heraus. «Zu Beginn musste ich zuerst das Geschäft kennen- bzw. erlernen, bevor ich Führungsaufgaben übernehmen konnte, war dort so zusagen ein Lehrling.»
Die gestandene Geschäftsfrau riet den Teilnehmerminnen am Anlass: «Seid mit Ausdauer und Spass an der Arbeit und setzt vor allem eine gesunde Portion gesunden Menschenverstand ein. Haltet an eurem Traum fest, selbst wenn der Plan ein paar Kurven macht: Go for it!»
Businessplan als wichtiger Leitfaden
Auch Michele Matt, Gründer und Verwaltungsrat von MyCamper, hat vorwärts gemacht. Der neue Geschäftsführer vom Business Park Baselland schilderte, wie er die Camper-Austausch-Plattform aufgebaut hat: von der ersten Idee (mit der damaligen Freundin im Urlaub) bis zum international erfolgreichem Unternehmen. Dieses zählt mittlerweile 26 Mitarbeitende und 4500 mietbare Wohnwagen sowie -mobile und ist «Nummer 1 in der Schweiz und Skandinavien und als nächstes in Österreich am Start».
Als Michele Matt MyCamper gründete, wurde er von einem Profi begleitet und setzte den Businessplan als wichtigen Leitfaden ein. («Darüber hinaus gab es noch rechtliche Abklärungen zu machen, u.a. zu Versicherungen, und dazu Experten beizuziehen», schilderte er am Anlass.)
Zur Beurteilung der Machbarkeit
Die Begleitung beim Erstellen des Businessplans ist wichtiger Teil der kostenlosen Gründungsberatung beim Business Park Baselland und den anderen Startup-Organisationen im Kanton.
Als Planungs-Instrument dient dieser auch Investoren zur Beurteilung der Machbarkeit und Marktchancen einer Geschäftsidee sowie des zu gründenden Startups dahinter.
Olivia Zurbuchen, Beraterin bei der Basler Kantonalbank (BKB) riet den Teilnehmerinnen, ihre Geschäftsidee unbedingt zu Papier zu bringen und im Businessplan die angepeilten Kundensegmente, die Nachfrage und Wettbewerbsvorteile des Produkts/der Dienstleistung niederzuschreiben, darauf die Umsetzungs-Strategie aufzubauen und die Marketing-Massnahmen sowie Finanzierung zu definieren.
«Kurz, knackig und aussagekräftig»
Andrea Theunert, Geschäftsführerin SAFFA Bürgschaftsgenossenschaft, empfiehlt, den Businessplan so einfach und komprimiert wie möglich auf 10 Seiten zu verfassen: «Kurz und knackig und aussagekräftig muss er sein.»
Auch Nadja Breitenstein, Inhaberin der regionalen Stellenvermittlungs-Plattform «breitenstein works», gründete ihre Firma mit Hilfe eines Businessplans. «Für diesen Schritt brauchte ich viel Mut. Auch dachte ich, mich zuvor im betriebswirtschaftlichen Bereich fit machen zu müssen und absolvierte deshalb ein BWL-Studium.»
Schritt auch schon mal ohne wagen
Jennifer Wagner, General Manager bei "the Royal NNZ Group bv", musste ohne Businessplan auskommen. Als sie vor zwei Jahren die Geschäftsführung übernahm, lernte sie zunächst im Job.
«Wenn man jung und ungebunden ist und keine familiären bzw. finanziellen Verpflichtungen hat, kann man den Gründungsschritt schon mal ohne Businessplan wagen», erklärte Carole Flury, Partnerin Online Treuhand AG, am Anlass. Doch wenn nicht, dann lohne es sich schon, Zeit darin zu investieren, um beispielweise den Cash-Bedarf zu errechnen, da man ja nicht schon vom ersten Tag an einen fixen Lohn beziehen könne.
Als laufendes Nachschlagewerk
Eine weitere Publikumsfrage lautete, wie oft der Businessplan aufdatiert werden müsse.
«Solange es läuft, braucht es keine Überprüfung bzw. Anpassung. Wenn es allerdings wo harzt, gehen wir über die Bücher», erklärte Andrea Theunert.
Für Nadja Breitenstein ist der Businessplan ein «tolles Nachschlagewerk».
Michele Matt verwendet mittlerweile lieber das Business Model Canvas, eine flexible Methode zur strukturierten Darstellung und «um Veränderungen in der Geschäftsstrategie dynamisch anpassen zu können».
Zeitlose Kernvision mit modernen Produkten
Claudine Gertiser hat laufender Modernisierung stehts die zeitlose (120 Jahre überdauernde) Gründervision von Oris vor Augen, die da lautet: «Mechanische Uhren für Kunden herzustellen, die ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.» Die Identifikation sei das A und O; voll dahinterzustehen und «Feuer und Flamme zu sein», schwärmte sie.
Inspirierende Erfolgsbeispiele
An anschliessenden Apéro vernetzten sich die Teilnehmenden – erfahrene und angehende Unternehmerinnen sowie «SupporterInnen» – untereinander, diskutierten die Bedeutung des Businessplans und andere Themen und machten sich gegenseitig Mut: «Super, dass so inspirierende Beispiele erfolgreicher Unternehmerinnen gezeigt wurden», kommentierte eine begeisterte Teilnehmerin den informativen und von Filippo Muscara unterhaltend moderierten Anlass.
Legende zum grossen Gruppen-Bannerfoto oben (v.l.): Jennifer Wagner, General Manager the Royal NNZ Group bv, Andrea Theunert, Geschäftsführerin SAFFA Bürgschaftsgenossenschaft, Carole Flury, Partnerin Online Treuhand AG, Michael Baumberger, Leiter KMU-Kunden BKB, Nadia Breitenstein, Inhaberin breitenstein works GmbH, Claudine Gertiser, Co-CEO von Oris Watches, Filippo Muscara, Moderation, Olivia Zurbuchen, Beraterin Geschäftskunden BKB, Simone Kaiser-Reber, Rechtsberaterin im Haus der Wirtschaft (HdW), Michele Matt, Geschäftsführer Business Park Baselland, Matthias Welti, Leiter KMU-Beratung, HdW.
Bericht: Kathrin Cuomo-Sachsse; Fotos von der Autorin und Sabine Bretscher, Business Park Baselland