Die einen möchten sich selbständig machen, die anderen wollen sich über diesen Schritt informieren und austauschen oder einfach den «Spirit» spüren – ganz unterschiedlich waren die Motive der über 20 Teilnehmenden an der Startup Schmiede vom 3. April. Divers auch die Geschäftsideen, an denen sie am Workshop in Gruppen gearbeitet haben: von der Krisenkommunikation über Lyrik für chronisch Kranke bis zum nachfüllbaren Deo-Stick und «High Society»-T-Shirt. Begleitet wurden sie von den ExpertInnen der Partner-Organisationen von «startup baselland». Wertvolle Tipps gaben Sean Dylan Goff und Felix Meier, Gründer der Webfirma CyNova. Der Power-Event fand bei der Startup Academy Baselland in Liestal statt.
Ein frischer Unternehmergeist durchdrang das Tenum-Haus am Info-Event von startup baselland. Rund 30 Gründungsinteressierte, -Experten und Coaches tauschten sich rege aus.
Felix und Sean (Foto v.l.) erzählten von ihren ersten eindrücklichen Schritten in die Selbständigkeit: Ursprünglich starteten sie mit dem Handel von Kleidern und Schuhen ("Street Wear") in limitierter Auflage, unterschätzten dabei aber die laufenden Kosten. Da sie eh den Webshop für den Vertrieb selbst programmiert hatten, entschieden sie sich dazu, stattdessen gleich Websites anzubieten. So entstand ihr heutiges Geschäftsmodell. Mit ihrer Firma CyNova entwickeln sie «massgeschneiderte Lösungen, die effizient, leistungsstark und umweltfreundlich sind».
Kunden glücklich machen
Ihr Erfolgsrezept: «Wir haben von Beginn an alles gegeben, um unsere Kunden glücklich zu machen. Mit unseren gesammelten Erfahrungen wissen wir heute, was sich lohnt und was nicht.» Und ganz wichtig: Ihre mittlerweile siebenjährige Geschäftspartnerschaft «verhäbt»: Der Maschinenbauer und der Elektro-Ingenieur und IT-Tüftler sind schon lange miteinander befreundet: «Wir ergänzen uns und teilen die Kompetenzen und Aufgaben untereinander auf. Nicht jeder kann alles selbst machen. Man sollte auch mal Geld in die Hand nehmen, um gewisse Aufgaben wie die Buchhaltung auszulagern, und extern Meinungen einholen.» (Bei der Startup Academy fanden sie Unterstützung bei der Vermarktung.)
Alles zum ersten Mal
«Man macht immer alles zum ersten Mal. Ein Geschäft aufzubauen, lernt man in keiner Schule. Doch gebt nicht auf, und versucht euch immer wieder selbst zu motivieren», appellierten sie ans Publikum.
Inspiriert durch den Elan und Optimismus der beiden engagierten Jungunternehmer, schilderten die Teilnehmenden lebhaft ihre Ideen und Motive für den Event-Besuch: Die einen wollten sich einfach mal informieren und den Startup-Spirit spüren. Andere möchten sich selbständig machen, wissen aber noch nicht womit oder kamen, um zu erfahren, wie sie ihr bereits konkretes Konzept umsetzen können.
Ein schlankes Geschäftsmodell
«Hier bildet sich ja eine richtige Schwarmintelligenz», so Moritz Kistenmacher, Geschäftsführer der Startup Academy Baselland: «Nutzt die Gelegenheit, euch am Minihackathon gegenseitig zu unterstützen und challengen.» Die Teilnehmenden bildeten vier Gruppen, um je eine innovative Geschäftsidee (weiter) zu entwickeln. Als Grundlage diente ihnen das Business Model Canvas. Dabei handelt es sich um eine strukturierte Vorgehensweise, um das Geschäftsmodell «lean» (schlank) abzubilden. Zu diesem schlanken Ansatz gehört auch, „minimum viable products“ an ersten Kunden zu testen, empfahl Moritz Kistenmacher.
Mit «Wertangeboten» Bedürfnisse abdecken
Als erstes gilt es, die Bedürfnisse und Values möglicher Zielsegmente zu skizzieren und daraus entsprechende Wertangebote zu entwerfen. «Welche Probleme müssen gelöst werden? Dazu solltet ihr euch immer in den Kunden hineinversetzen», erklärte der Profi.
Satoshi hat viele Jahre in einem Pharmakonzern in der externen Kommunikation, u.a. Krisen-Management gearbeitet und möchte sich nun mit seinen Kompetenzen und Erfahrungen selbständig machen. Er ist überzeugt, dass es einige KMU und auch Startups gibt, die hier Unterstützung brauchen, sich dazu aber eine eigene Einheit bzw. Agentur nicht leisten können und froh sind, wenn sie ein einzelner Experte (ganzheitlich und günstiger) berät. Er erhielt am Mini-Hackathon "guten Input" zur Verfeinerung seines Geschäftsmodells.
Tipps, um an Zielsegment zu gelangen
Nicola hat aus der «Not eine Tugend gemacht». Mit Long Covid physisch beeinträchtigt, entdeckte sie während der Pandemie ihre Leidenschaft für Lyrik und entwickelte ein innovatives Geschäftsmodell. Daraus erarbeitete die «ArchiTextin» spezifische Angebote für den Gesundheits- und Ausbildungs-Sektor.
Mit ihrer Wortpoesie möchte sie u.a. (anderen) chronisch Kranken helfen. Im Workshop erhielt sie von ihrer Gruppe Tipps, wie sie ihre Zielsegmente bzw. Partner wie Kliniken und Seniorenheime besser erreichen kann.
Kevin setzt auf Glamour und Nachhaltigkeit. Er möchte mit seiner Frau eine Modemarke für die «oberen Zehntausend» aufbauen. Doch wie kommt er mit seinen haltbaren «High Society»-Shirts und -Pullovern an Millionäre und Milliardäre heran?
Michele Matt, kennt sich als Gründer von MyCamper auch gut mit Vermarktung und Vertrieb aus (Foto rechts).
Der Geschäftsführer vom Business Park Baselland erklärte, die limitierte Stückzahl müsse sichtbar sein. Die Exklusivität könne man beispielweise mit speziellen Events anreichern, um eine entsprechende Community darum herum zu bauen...
Matthias hat einen nachfüllbaren Deo-Stick für nachhaltige, gesunde Creme entworfen. Dazu möchte er in passendes Werkzeug investieren und einen eigenen Shop aufbauen auch mit dem Ziel, alles möglichst (kosten-)effizient zu halten. Seine Gruppe mit Johannes Bohren, Director Startup Innovation bei Basel Area, als Coach diskutierte über das richtige Pricing für sein Produkt und über mögliche Vertriebskanäle.
„Nicht unter Wert verkaufen“
Nach der Formulierung der Kundensegmente und Angebote, geht es (auch im Canvas-Modell) als nächstes darum, dafür die Kosten und Preise zu berechnen.
„Ihr müsst den Wert der eigenen Zeit kennen und das knallhart mit einkalkulieren», raten dazu Sean und Felix von CyNova: «Selbst wenn etwas viel Aufwand generiert und mehr Zeit als veranschlagt benötigt, dann traut euch, den Preis entsprechend zu erhöhen. Erstaunlich oft macht der Kunde mit.»
Finanzierung genau regeln
Gaudenz von Capeller, neuer Geschäftsführer im Business Parc, und selbst Unternehmer, erklärte die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten und Firmenformen.
«Entscheidend ist, dass ihr wisst, wann ihr ausgeliehenes bzw. geschuldetes Geld wieder zurückbezahlt.» Bei Family, Fools & Friends sei v.a. auf die privaten Beziehungen zu achten, weil man mit «seinen Leuten» immer wieder zu tun habe.
Ein gewisses Eigenkapital sei am Anfang wichtig, um als angehende(r) UnternehmerIn auch glaubwürdig zu sein, betonte er: «Fremdkapital ist meist erst später ein Thema, wenn das Unternehmen bereits Gewinn schreibt. Um z.B. Investoren für Venture Capital zu finden, muss man die Geschäftsidee sehr gut verkaufen.» Etwa mit einem überzeugenden Businessplan und einer kurzen und prägnanten Präsentation während der Dauer einer Liftfahrt («Elevator Pitch»). Auch beim Crowdfunding bekommt man das Geld erst, wenn das Projekt/Produkt gut ankommt.
Form der Firma erst zuletzt festlegen
Gaudenz von Capeller betonte, dass man bei der Gründung bereits alle wesentlichen Punkte geklärt haben sollte, bevor man sich für die passende Firmenform entscheidet. Die Wahl hinge auch von der Anzahl Eigentümer ab. Ist es bei der Einzelfirma (wie der Name sagt) nur einer, so sind bei der GmbH auch zwei oder mehr Inhaber möglich, die gemeinsam das Startkapital von 20'000 CHF bereitstellen, bei einer Aktiengesellschaft sind dies 50'000 CHF bis 100'000 CHF. Dafür haftet bei einer Einzelfirma der Besitzer mit seinem Vermögen, fasste der Finanzspezialist/CFO einige Merkmale zusammen.
Ein Abend voller Inspiration
Die Teilnehmenden nahmen viele Learnings und Impressionen vom Anlass mit nach Hause. Besonders schätzten sie das Hackathon-Format, im Team zu arbeiten und dabei verschiedene Perspektiven zu hören, sich mit den Experten und Ihresgleichen auszutauschen und einen Abend voller Innovationen und Inspirationen zu erleben. Einige darunter verabredeten noch an Ort und Stelle einen Beratungstermin bei einer der vier Startup-Organisationen.
Bericht: Kathrin Cuomo-Sachsse, Redaktion startup baselland
Fotos: Fabian Ritter, Mitgründer Lupus Media