Am Netzwerkanlass der Startup Academy Baselland und BLKB vom 20. Juni in Liestal tauchten die rund 70 Teilnehmenden in die «magische» Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) ein. «Experten» schilderten anhand von Beispielen die praktischen Anwendungs-Möglichkeiten für Startups und KMU und beantworteten die Fragen der anwesenden (Jung)Unternehmer:innen. Der Event zeigte – aufgelockert mit humoristischen Einlagen – das Potenzial von KI und wo dessen Einsatz Sinn macht.
Patrick Neuenschwander führte das Publikum in die «magische» KI-Welt der Künstlichen Intelligenz ein. U.a. Mentor bei der Startup Academy und Leiter der Standortförderung Laufental verfügt er über langjährige Erfahrung im Bereich der Softwareentwicklung. «Eigentlich gibt es KI schon lange», erklärte er: 1942 hat Isaac Asimov die drei Gesetze der Robotik definiert, 1950 Alan Turing einen Test zur Unterscheidung von Mensch und Maschine lanciert, seit 1955 beschäftigen sich Wissenschaftler mit neuronalen Netzwerken und gilt Jeffrey Hinton 2022 als «Quasi-Vater» von ChatGPT.
Dabei sei KI ganz simpel: Dazu brauche es lediglich einen Lernalgorithmus, große Datenmengen und hochleistungsfähige Rechner-Kapazitäten. Das Erstaunliche an der Entwicklung von KI sei, dass sie grundsätzlich exponentiell – und zwar in Sprüngen – wächst. Und hier zeigt sich für ihn die Magie: Jedes Mal, wenn er ein Programm mit Daten «füttere», sei er überrascht davon, was am Ende eines jeden Schrittes herauskomme...
Prozesse verbessern dank kontrollierter Datenbewirtschaftung
«KI meistert mittlerweile unsere Sprache, worauf ja alles basiert wie z.B. sämtliche Wirtschaftssysteme», betonte er und schälte am Anlass u.a. die Unterschiede zwischen KI im Privatgebrauch und bei Geschäftsanwendungen heraus. So erfreuen sich beispielsweise Apps und Tools mit kreativem/degenerativem Output wie ChatGPT mittlerweile grosser Popularität. Hingegen geht es Unternehmen – vom Supply Management über das Gesundheitswesen bis hin zum Finanzdienstleistungsbereich – in erster Linie um Automation bzw. Prozessverbesserungen, die sie anhand kontrollierter Bewirtschaftung von (Nutzer-)Daten mit Hilfe von KI erzielen können.
Alain Veuve, selbst mehrfacher Inhaber, hat zahlreiche Firmen bei der digitalen Transformation begleitet und teilte am Anlass seine Erfahrungen und Zukunftseinschätzungen mit dem Publikum:
Als Gründer und Bauer von Startups und Scaleups wie betascale, Accounto und Parashift hat er sich KI für die Erledigung von Aufgaben wie die automatisierte Verwaltung von Dokumenten zunutze gemacht, «für die es tendenziell nicht besonders viel Intelligenz braucht».
«Nutzen Sie das grosse Potenzial!»
«Künftig wird KI für jede Software ein fundamentaler Bestandteil sein und die bisherigen IT-Anwendungen ‘auffressen’. Software ändert dadurch ihre Rolle und mutiert zur Partnerin der Menschen», betonte Alain Veuve am Anlass. Praktisch in jedem Bereich lassen sich heute mit Hilfe von KI neue Lösungen entwickeln. «Nutzen Sie das grosse Potenzial und behalten Sie die Auswirkungen dieser neuen Technologien auch längerfristig im Blick», riet er den Teilnehmenden.
David C. Sutter schilderte anhand von praktischen Beispielen die Möglichkeiten von KI im Bereich der Kommunikation. (Der Gründer des Social Media-Beratungsunternehmens mediacrew hat auch die Initiative «100 fürs Baselbiet» mit aufgebaut.)
Als Unternehmer weiss er, dass KI fast jedes Geschäftsmodell verändern wird.
Für ihn zeichnete sich schon vor der Lancierung von ChatGPT ab, dass sich «da was tut». (So widmete die heutige mediacrew-Geschäftsführerin bereits vor rund zehn Jahren «Chatbots» ihre Masterarbeit.) Und seine Agentur beschäftigte sich schon frühzeitig mit «Deep / Machine Learning»-Themen. Vor allem das grosse Effizienz-Steigerungs-Potenzial motivierte ihn zum Einsatz von KI fürs eigene Geschäft.
Nutzen an die Kunden weitergeben
«Wir wollen die Agentur sein, welche die KI-Technologien dazu einsetzt, um den Nutzen daraus vor allem an die Kunden weiterzugeben.» Gesagt, getan: Sofort machte man sich daran, alle Unternehmensdaten in ein KI-Modell einzuspeisen und dazu einen eigenen abgegrenzten und gut gesicherten Chatbot (textbasiertes Dialogsystem) einzurichten. «Dort können sich jetzt unsere Kunden direkt «onboarden», ohne dass dazu mühsam Checklisten zusammengesucht und extra Zugänge aufgeschaltet werden müssen.» Auch Stundenabrechnungen lassen sich damit in der Agentur viel rascher managen. «In der so gewonnen Zeit bearbeiten wir weitere Themen für unsere Kunden. In den letzten beiden Jahren haben diese so von 30 bis 40 Prozent Mehrleistung profitiert», erklärte Sutter am Event.
Mittlerweile deckt die Agentur vier bis sechs Bereiche mit Hilfe künstlicher Intelligenz um einiges effizienter ab als zuvor: von Strategie-Entwicklung über Werbung und Content Production bis hin zur Erfolgskontrolle. «Statt teure Workshops durchzuführen, befähigen und trainieren wir Marketing-Spezialisten, wie sie KI-Tools bestmöglich nutzen können. Dazu führt mediacrew Module durch, deren Kosten laut Sutter sehr schnell amortisiert sind. «Ob Trend-Recherche, Video-Produktion mit Untertiteln oder Social Media-Monitoring – wir sparen so für die Kunden rund 4.5h Stunden pro Tag (d.h. ungefähr drei Viertel des bisher üblichen Aufwands) ein», rechnet er vor.
Stefan Lehmann, Kandidatenbetreuer von «100 fürs Baselbiet», schätzt es, dass hinter der Initiative keine KI-Agenten zugange, sondern Menschen im Spiel sind. Bereits wurden 40 Startups bzw. Unternehmen mit vergünstigten Krediten in der Höhe von insgesamt 40,4 Mio. unterstützt und über 120 Arbeitsplätze in der Region geschaffen. Nach drei Jahren sind die geförderten Unternehmen aus dem Programm entlassen und können sich von Organisationen wie der Startup Academy weiter begleiten lassen.
KI differenziert betrachten
Thomas Kübler, Leiter der an 100 fürs Baselbiet mit beteiligten Standortförderung Baselland, betonte in seinem Schlusswort, wie wichtig eine differenzierte Analyse der Chancen und Risiken von KI ist. Schliesslich seien alle davon betroffen. Aber (noch) nicht alle befassen sich gleichermassen damit. So finden laut der von der Handelskammer beider Basel zusammen mit economiesuisse kürzlich veröffentlichten Konjunkturumfrage in der Region über 40 Prozent das Thema für ihr Unternehmen (sehr) relevant, 30 Prozent messen KI hingegen wenig(er) Wichtigkeit bei.
«Puls spüren» am Event
Die Teilnehmenden des KI-Events im Tenum, Liestal, sind sich auf jeden Fall alle der Bedeutung von KI bewusst. Sie nutzten die Gelegenheit, sich zum Thema aufzudatieren und mit den Experten auszutauschen. Eine frischgebackene (und durch die Startup Academy Baselland begleitete) Gründerin weiss, dass sie gerade mit ihrer kleinen Einzelfirma in diesem Bereich fit sein und mithalten muss. Ein anderer Teilnehmer, der mit seinem Unternehmen Kunden beim Einsatz von KI unterstützt, nutzte die anschliessende Diskussionsrunde, um aktuelle «Probleme bzw. Anliegen am Puls zu spüren». So gingen über 30 Fragen online aus dem Publikum ein wie z.B.: «Gibt es KI-Tools, die Fake erkennen?»; «Woher kommen die Daten? Wie steht es dabei um die Urheberrechte?»; «Und ist KI umweltfreundlich?
Als «krönender Abschluss» (vor dem Apéro) wandelten die Veranstalter mit Hilfe einer Speech-to-Text-App die Aufnahme des Events in ein Transkript und liessen via ChatGPT eine humoristische Zusammenfassung davon erstellen. Die z.T. «skurillen» Aussagen amüsierten und erinnerten auch die Verfasserin des Berichts daran, KI zwar ernst aber nicht «todernst», heisst zu verbissen (auf)zunehmen.
Bericht: Kathrin Cuomo-Sachsse, Redaktion «startup baselland»
Fotos: IEU, K. Sachsse, Sara Zehnder